Die Vorsitzende des Vorstandes von ENTEGA, Dr. Marie-Luise Wolff, erläutert im Interview mit der Redaktion unter anderem, warum sich die Investitionen in Erneuerbare Energien lohnen, warum der persönliche Lebensstil auch eine politische Frage ist, und warum Sie vor politischem Extremismus warnt.
Frau Wolff, Deutschland befindet sich in einer Rezession und global sorgen Kriege und Krisen dafür, dass die Voraussetzungen für Unternehmen immer instabiler werden. Sind da massive Investitionen, wie sie ENTEGA in den Ausbau der Erneuerbaren und das Glasfasernetz plant nicht viel zu riskant?
Das Gegenteil ist der Fall. Wenn wir jetzt nicht investieren, vor allem in die Energiewende, hätte das fatale Folgen nicht nur für uns als Unternehmen, sondern auch für Darmstadt und Südhessen. Der Klimawandel ist eine Menschheitsherausforderung, er bedroht gar die Existenz unserer Spezies. Wir kennen die Maßnahmen, die die Erwärmung des Planeten zumindest eindämmen können und gerade wir als Unternehmen der Energiewirtschaft haben die Mittel in der Hand. „Eigentum verpflichtet“ heißt es klugerweise in unserem Grundgesetz. Das heißt auch, dass wir als Unternehmen alles in unserer Macht Stehende tun müssen, um der Klimakatastrophe entgegenzuwirken. Deshalb sind beispielsweise die über 300 Millionen Euro, die ENTEGA in den kommenden Jahren in den Ausbau der Windkraft investieren wird, gut angelegtes Geld. Übrigens auch im rein ökonomischen Sinne: Schon jetzt zahlt es sich aus, dass wir viel früher als die meisten anderen konsequent auf die Energiewende als Geschäftsmodell gesetzt haben, deshalb stehen wir heute als Unternehmen besser da als mancher Mitbewerber.
Der Klimawandel treibt Sie auch persönlich um – nicht nur als Vorstandsvorsitzende von ENTEGA. Wie sehen Sie die aktuelle Lage, auch nach der Weltklimakonferenz in Dubai?
Ehrlicherweise ist es für mich eine große Enttäuschung, dass sich die Staatengemeinschaft nicht auf einen Ausstieg aus den fossilen Energieträgern in absehbarer Zeit einigen konnte. Wir kennen seit langem die Ursache für die Erwärmung des Planeten, es ist das CO2. Deshalb müssen wir so schnell wie möglich aus der Energiegewinnung durch die Verbrennung von Kohle. Öl und Gas aussteigen. ENTEGA macht mit seiner Unternehmensstrategie vor, dass es gelingen kann.
Aber gehört zum Kampf gegen den Klimawandel nicht auch, dass wir alle unseren Lebensstil verändern?
Doch natürlich. Wenn wir die 2,8 Grad Erwärmung, die uns mit all ihren furchtbaren Folgen droht, noch verhindern wollen, müssen wir alle weniger fliegen, weniger Auto fahren und auch weniger Fleisch essen, um nur drei Beispiele zu nennen. Hier ist die Politik gefragt, dies zum einen vorzuleben und zum anderen viel besser als bislang zu erklären, worum es tatsächlich geht: Um das Endspiel für die Menschheit, wie der Untertitel eines meiner Bücher lautet.
Neben dem Ausbau der Erneuerbaren investiert ENTEGA vor allem auch in das Glasfasernetz. Gehen Sie auch hier davon aus, dass sich die Investitionen rechnen?
Selbstverständlich. Es ist doch sehr klar, dass der Bedarf an schnellem und breitbandfähigem Internetz in den kommenden Jahren weiterhin massiv ansteigen wird. Wer, wenn nicht wir, die wir uns mit Netzen in unserer Region besser auskennen als jeder andere, sollte also auf diesem Gebiet investieren.
Warum investiert ENTEGA in erheblichem Umfang auch in der Region?
Ich möchte die Investitionen, die ENTEGA beschlossen hat, als Bekenntnis zu unserer Region verstanden wissen. Wir leben in Südhessen in einer prosperierenden Region, Darmstadt ist eine der wirtschaftlich prosperierendsten und immer noch am stärksten wachsenden Großstädte des Landes.
Sie haben sich in der Vergangenheit politisch geäußert und vor Extremismus gewarnt. Was sind die Gründe, politisch Stellung zu nehmen?
Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir die guten Voraussetzungen, die wir in Deutschland haben, zu wenig wertschätzen und dadurch den Problemen, die es zweifelsohne gibt, zu viel Raum geben. Diese Einstellung macht es dann wiederum Populisten und Extremisten einfach. Ich kann nur davor warnen, Parteien wie der AfD auf den Leim zu gehen. Die wollen nichts weniger, als unser Land verändern, zu einem nicht mehr weltoffenen, unfreien, pluralitätsfeindlichen Land. Ich äußere mich politisch, da ich in einem solchen Deutschland nicht leben möchte. Hinzu kommt, dass für ENTEGA Diversität und ein innovationsfreundliches Klima sehr wichtig für den wirtschaftlichen Erfolg sind. Dafür wäre in einem AfD-Deutschland kein Platz mehr. Es geht aktuell um die Verteidigung unserer individuellen, gesellschaftlichen und auch wirtschaftlichen Freiheit. Dessen sollte sich jeder bewusst sein.
Zum Abschluss noch eine Frage zu einem anderen Thema: Sie haben nach sechs Jahren das Amt der BDEW-Präsidentin abgegeben. Wie lautet Ihre persönliche Bilanz? Ich bin sehr dankbar, dass meine Kolleginnen und Kollegen mir das Vertrauen geschenkt haben, bei diesem für unsere Branche herausragend wichtigen Verband sechs Jahre lang an der Spitze zu stehen. Ich habe viele Erfahrungen und Lernkurven machen können und unheimlich wertvolle Begegnungen gehabt – als Highlight sei die Mitarbeit in der Gaspreiskommission im schwierigen Winter 2022 genannt. So haben sich inhaltliche Synergien, aber auch zahlreiche Kontakte ergeben, die auch für meine Hauptaufgabe bei ENTEGA von unschätzbarem Wert waren.