IHK fordert mehr Flexibilität bei der Zuweisung von Berufsschulen in Grenzregionen
Für viele Auszubildende in Südhessen ist der Weg zur Berufsschule eine tägliche Herausforderung: Trotz näher gelegener Schulen im benachbarten Bundesland müssen sie weite Strecken auf sich nehmen – weil laut Regelung die Berufsschule im Bundesland des Ausbildungsbetriebs besucht werden muss. Ausnahmen, sogenannte Gestattungen, gewährt das hessische Kultusministerium bislang nur restriktiv. Die IHK Darmstadt fordert jetzt eine grundlegende Reform.
„Die Gestattungspraxis muss sich unbedingt ändern“, fordert Dr. Marcel Walter, Geschäftsbereichsleiter Aus- und Weiterbildung der IHK Darmstadt. „Gerade für Ausbildungsbetriebe in Grenzregionen sind die starren Regelungen ein echtes Problem. Es droht, dass Betriebe nicht mehr ausbilden – oder dass junge Menschen ihre Ausbildung abbrechen.“
Zwei Beispiele aus der Region
- Eine Auszubildende aus Lampertheim, die in Bensheim zur Fachangestellten für Bäderbetriebe ausgebildet wird, muss zur Berufsschule nach Friedberg. Die einfache Fahrtzeit: fast zwei Stunden. Die näher gelegene Schule in Mannheim wäre nur halb so weit entfernt. Doch der Antrag auf Schulwechsel wurde vom Ministerium abgelehnt.
- Ein angehender Industriekaufmann aus Mörlenbach, der in Wald-Michelbach arbeitet, muss zur Berufsschule in Lampertheim – ebenfalls rund 90 Minuten pro Strecke. Die Schule in Weinheim wäre nur 15 Minuten entfernt. Auch hier: Ablehnung durch das Kultusministerium.
Ausbildung scheitert oft an Bürokratie
Zudem können Gestattungsanträge erst nach Vertragsunterzeichnung gestellt werden. Das bedeutet: Bewerberinnen und Bewerber erhalten im Vorstellungsgespräch keine verbindliche Auskunft über den Schulort. Laut IHK sei das ein häufiger Grund für Ausbildungsabbrüche noch vor dem Start.
„Zwar werden später 80 Prozent der Anträge genehmigt, aber zu spät. Die Chance auf eine Ausbildung ist dann oft schon vertan“, so Walter. Besonders kritisiert er den bürokratischen Aufwand: Jeder Antrag wird einzeln geprüft, gilt oft nur für ein Jahr – und muss im Folgejahr erneut gestellt werden.
IHK warnt vor dem Aussterben ganzer Berufsbilder
„Wenn der Schulstandort zu weit entfernt ist, geben viele Betriebe auf oder bieten nur noch bestimmte Berufe an“, warnt Walter. Damit drohe langfristig das „regionale Aussterben“ dringend benötigter Ausbildungsberufe.
Ein Beispiel, dass Kooperation funktionieren kann: Der Beruf des Physiklaboranten konnte 2024 nur durch eine länderübergreifende Einigung zwischen Hessen und Rheinland-Pfalz erhalten bleiben.
IHK fordert flexiblere Regelung
Die IHK Darmstadt hat sich mit einem Schreiben an das Hessische Kultusministerium gewandt und fordert:
- Erleichterte Genehmigungspraxis in Grenzregionen
- Dauerhafte Gestattungen für bestimmte Betriebe
- Freie Schulwahl für Auszubildende – unabhängig vom Bundesland
„Es geht nicht darum, ob Azubis zur Schule A oder B gehen – sondern ob sie überhaupt eine Ausbildung machen“, so Walter. „Wenn wir es ernst meinen mit Fachkräftesicherung, müssen wir unsere Ausbildungsbedingungen flexibler gestalten – praxisnah, regional angepasst und zukunftsorientiert.“
Weitere Informationen zum Thema Ausbildung und Berufsschule gibt es auf der Website der IHK Darmstadt.
(DARMSTADT – RED/IHK)