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Darmstädter Tischgespräch mit Krimi-Autor Andreas Roß
Zwischen 1950 und 1975 gab es die legendäre Veranstaltungs-Reihe „Darmstädter Gespräche“, bei der es darum ging, in öffentlichen Diskussionen gesellschaftlich wie kulturell relevante Themen sichtbar zu machen. Um etwas weniger soll es bei den „Darmstädter Tischgesprächen“ gehen, bei denen jene zu Wort kommen, die an unterschiedlichen Stellen ihren Beitrag für Erhalt wie Weiterentwicklung unserer Gesellschaft leisten. Diesmal ist der Journalist und Publizist W. Christian Schmitt zusammen mit Kameramann Werner Wabnitz zu Gast bei Andreas Roß, einem Darmstädter Krimi-Autor.
Es ist anzunehmen, dass Andreas Roß zum sicher ganz kleinen Kreis jener Krimi-Autoren gehört, die schon einmal hautnah (also am eigenen Leib) erleben durften, wie es auf der Polizeiwache bei einer „erkennungsdienstlichen Behandlung“ mit Fotos, Fingerabdrücken etc. tatsächlich zugeht. Geschehen und arrangiert seinerzeit für einen im Darmstädter Echo veröffentlichten Kolumnenbeitrag von Bert Hensel. Im Rückblick hofft Roß indes, dass diese kriminaltechnische Akte längst wieder gelöscht ist.

Foto: Werner Wabnitz
Und wir können starten mit unserem Tischgespräch, das mit der ganz einfach klingenden Frage beginnt: Warum schreibt man Kriminalromane, wo doch die alltägliche Realität, nachzulesen nicht nur in der Boulevard-Presse, all das widerspiegelt oder gar vorwegnimmt, was Schriftsteller sich im nachhinein ausdenken. Herr Roß, wie sieht das bei Ihnen aus? Was fasziniert Sie, und was Krimi-Leser an Mord und Totschlag und all der Gräulichkeiten mehr?
„Ich bin“, sagt er, „während meines Studiums sozialisiert worden“. Da war er u.a. auch in der Dieburger Justizvollzugsanstalt tätig. Auf der Seite der Guten, natürlich. Wie er dann genau zum Krimi-Schreiber wurde, ist am Ende dieses Artikels zu lesen. Sprechen wir doch zunächst darüber, wie ein solcher Roman entsteht. Was darin alles vorkommen sollte. „Ich bin einer“, verrät er, „der an den Schreibtisch getrieben wird“, weil er zu Papier bringen müsse, was da „in mir gewachsen“ sei. Angeregt durch äußere Ereignisse, bisweilen gar „gezwungen“. Und Mal für Mal frage er sich, ob er das, was dann zu lesen ist, auch so veröffentlicht werden sollte. Er mache sich dann daran, das Geschriebene soweit zu verändern, dass keine Rückschlüsse auf sein Leben gezogen werden könne. Klar, am Anfang stehe ein gewisser Plot, aber die Geschichte entwickele sich Kapitel für Kapitel ganz eigen. Der Ausgang eines Falles ergebe sich oft erst beim Schreiben.
Dann frage ich ihn, wieviele Morde er jeweils einplane, ob der ermittelnde Kommissar eher tüttelig sei und überhaupt, wie lange er an einem solchen Manuskript arbeite. „Bisweilen gar ein ganzes Jahr“, meint er. Doch dann sei der Fall gelöst. Die Anzahl der Morde ergebe sich im Laufe der Schreibe. Aber, fasse ich nach, haben Sie auch schon Krimis geschrieben, bei denen es – wie im richtigen Leben – keine Aufklärung gab. „Das passiert“, sagt er. An ein Buch erinnere er sich, in dem der Täter nicht ermittelt werden konnte.
Und wie sieht es mit Vorbildern aus? Denkt man als Autor auch an Vorzeige-Beamte wie z.B. Colombo, Brunetti oder Maigret und deren Vorgehensweise, wenn man an einem neuen Buch arbeitet? Natürlich habe man das eine oder andere gelesen, gesehen oder gehört, doch Adaptionen seien keine Option. „Ich bin ein Geschichten-Erzähler“, sagt Roß, „einer, der seine eigenen Geschichten sucht und findet.“ Gut, dann liegt alles geschrieben vor, aber wie geht es weiter? Wer – außer später der Lektor – überprüft den Text auf mögliche sachliche Unstimmigkeiten? Krimi-Experte Roß: „Da habe ich einige Probeleser, die ganz genau hinschauen und die natürlich am Ende des Buches in der Danksagung Erwähnung finden“. Und dann gibt es da noch die Chance etwas nachzubessern, wenn er bei Lesungen aus dem Manuskript vortrage und Zuhörer sich melden.
Und wir sprechen in seiner Wohnung im Martinsviertel auch noch darüber: Wer auf die Bestsellerlisten schaut, entdeckt immer mehr Krimis auf den vorderen Plätzen. Und auch die (verbliebenen) Zeitungen stellen auf ihren Literaturseiten immer häufiger Kriminal-Romane vor; die FAZ z.B. gar auf eigenen Rezensionsseiten. Fehlt nur noch, dass demnächst auch ein Krimi-Autor mit dem Büchnerpreis ausgezeichnet wird – oder war dem schon so?
Zuletzt dann wie versprochen: Hier also noch die Antwort auf meine Eingangs-Frage, warum er Krimis schreibe. Andreas Roß sagt, das hänge mit der Dieburger Zeit zusammen, wo Peter Zingler, „ein professioneller Einbrecher“, einst etliche Jahre im Knast verbringen musste. Jener Zingler, der später (auch) als Schriftsteller und Drehbuchautor (u.a. „Ein Fall für Zwei“) für Furore sorgte. Auch, als er damals, so ist auf Wikipedia nachzulesen, 1985 u.a. mit „dem Bordellbesitzer Dieter Engel und Herbert Heckmann, dem Präsidenten der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung… die Frankfurter Romanfabrik“ ins Leben rief.
Als Andreas Roß am Beispiel Zingler sah, dass man mit Krimis sehr gut unterhalten und auch Gefallen finden könne, war seine Entscheidung klar. Übrigens auch die: „Seit 1. April bin ich in Rente, allerdings nicht im Ruhestand“, sagt er abschließend.
Zur Person
Andreas Roß, derzeit 63 Jahre alt, Tendenz steigend, verheiratet, zwei nahezu vollständig erwachsene Kinder. Er ist Sozialpädagoge, war über drei Jahrzehnte in der Mieterberatung für verschiedene Südhessische Baugesellschaften tätig und fand während seiner Arbeit in den langen dunklen Fluren der in die Jahre gekommenen Miethäuser immer wieder Anhaltspunkte für seine skurrilen Geschichten. Dazu kommt die Liebe zu seiner Wahlheimat Darmstadt. Neben zwei Kurzgeschichtensammlungen sind sechs Kriminalromane erschienen, und ganz aktuell die Politikposse „Mensch Maier“. Von 1996 bis 2008 und aktuell ab September 2013 schreibt er monatlich Kurzkrimis im Darmstädter Magazin „Vorhang Auf!“. Er ist Mitglied der Literaturgruppe Poseidon und Teil der Krimiautoren-Vereinigung „Das Syndikat“. Mehr über ihn unter https://www.krimiautor-ross-darmstadt.de/
Mit Oberbürgermeister Hanno Benz, dem nächsten Gesprächspartner, schließen wir nach 18 Folgen die Serie „Darmstädter Tischgespräche“ ab.