Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen fordern differenzierte Lösung für Ausbildungsbetriebe im Altkreis Darmstadt
Darmstadt. Die geplante Neuordnung der Berufsschullandschaft durch die Wissenschaftsstadt Darmstadt und den Landkreis Darmstadt-Dieburg stößt auf scharfe Kritik. Die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen im Berufsbildungsausschuss (BBA) der IHK Darmstadt Rhein Main Neckar fordern eine Kurskorrektur. Hintergrund ist die einseitige Aufkündigung der sogenannten Altkreisregelung, die seit Jahrzehnten Ausbildungsbetrieben im westlichen Kreisgebiet eine Beschulung ihrer Auszubildenden an Darmstädter Berufsschulen ermöglichte.
Künftig sollen laut aktueller Pläne rund 350 Auszubildende aus 70 Betrieben des „Altkreises Darmstadt“ – darunter Orte wie Weiterstadt, Griesheim oder Pfungstadt – ausschließlich an der Landrat-Gruber-Schule (LGS) in Dieburg beschult werden, sofern dort der jeweilige Ausbildungsberuf angeboten wird. Dies hätte laut IHK gravierende Folgen: Auszubildende würden durchschnittlich sechs zusätzliche Pendeltage pro Jahr aufbringen müssen, Betriebe verlieren über 750 produktive Arbeitstage jährlich, Fehlzeiten steigen, und die Attraktivität der beruflichen Ausbildung sinke insgesamt.
Ausbildungsqualität und Fachkräftesicherung in Gefahr
Die Vertreter des Berufsbildungsausschusses bemängeln insbesondere die fehlende berufliche und örtliche Differenzierung der Pläne. Ein pauschaler Wechsel nach Dieburg sei aus ihrer Sicht „wirtschaftlich, strukturell und ökologisch nicht tragbar“. Auch die durch zusätzliche Fahrtwege entstehenden Umweltbelastungen seien erheblich – laut IHK entsprächen sie acht Erdumrundungen pro Jahr.
Betriebe würden bereits jetzt erwägen, ihre Ausbildungsplätze zu verlagern oder ganz aufzugeben. Erste Rückmeldungen dieser Art seien bei der IHK eingegangen. Besonders betroffen seien Berufe wie Kaufleute im Einzelhandel oder im Büromanagement, bei denen an beiden Schulstandorten genügend Kapazitäten vorhanden seien. Die Verlagerung gefährde darüber hinaus auch das Angebot handwerklicher Ausbildungsgänge in Darmstadt.
Forderung: Moratorium und gemeinsame regionale Planung
Der BBA fordert ein sofortiges Moratorium für die aktuellen Pläne sowie eine differenzierte Betrachtung der Berufsbilder und Herkunftsorte der Auszubildenden. Stadt und Kreis müssten neue Gastschülervereinbarungen aushandeln, die eine wohnortnahe Beschulung für Betriebe aus dem westlichen Kreisgebiet weiterhin ermöglichen.
Langfristig spricht sich der Berufsbildungsausschuss für eine südhessenweite Koordination der Berufsschulplanung aus. Nur durch gemeinsam abgestimmte Berufsschulentwicklungspläne aller Schulträger in der Region könne ein tragfähiges, spezialisiertes Netz leistungsfähiger Standorte entstehen. Ziel sei es, Fachklassensicherung, Kosteneffizienz und hohe Akzeptanz bei Betrieben und Auszubildenden zu vereinen.
Der BBA der IHK Darmstadt versteht sich als gesetzlich verankertes Gremium zur Qualitätssicherung beruflicher Bildung in Südhessen. Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen fordern Stadt und Kreis auf, ihre Verantwortung gegenüber der dualen Ausbildung in der Region ernst zu nehmen und die Beschulungsregelungen im Sinne der Ausbildungsbetriebe neu zu gestalten.