WERBUNG
Nur net uffreesche
Von W. Christian Schmitt
Zwischen 1950 und 1975 gab es die legendäre Veranstaltungs-Reihe „Darmstädter Gespräche“, bei der es darum ging, in öffentlichen Diskussionen gesellschaftlich wie kulturell relevante Themen sichtbar zu machen. Um etwas weniger soll es bei den „Darmstädter Tischgesprächen“ gehen, bei denen jene zu Wort kommen, die an unterschiedlichen Stellen ihren Beitrag für Erhalt wie Weiterentwicklung unserer Gesellschaft leisten. Diesmal ist zum Abschluß der Serie „Darmstädter Tischgespräche“ der Journalist und Publizist W. Christian Schmitt zusammen mit Kameramann Werner Wabnitz zu Gast bei Darmstadts Oberbürgermeister Hanno Benz.
Dort, wo früher das Hotel „Die Traube“ seinen Sitz hatte und seit den 90er Jahren ein Neubau die Lücke füllt, befindet sich (Postadresse Luisenplatz 5a) im 3. Stock das OB-Büro. Wenn Hanno Benz aus seinem Fenster schaut, auf den Langen Ludwig, den regen Straßenbahn- und Busverkehr und unter sich all die Menschen sieht, die von A nach B eilen – dann gehört er sicher zu den wenigen Kommunalpolitikern, die Darmstadt und seine Bürger ganz hautnah erleben können. Hier oben treffen wir ihn, auf dessen Schreibtisch uns als allererstes der gerahmte Spruch „Nur net uffreesche“ auffällt.
Zum Gesprächsauftakt fragen wir ihn, wie das damals am Wahlabend eigentlich genau war, als feststand, dass er in dieses Büro einziehen würde. Was ging ihm da alles durch den Kopf? Hanno Benz: „Vieles, aber grundsätzlich war es die Erleichterung über solch ein positives Ergebnis“. Keine Angst, vor all den Aufgaben, die da plötzlich auf ihn zukamen? Der Oberbürgermeister blickt zurück: „Nein, es gab da keinen Moment der Angst, aber Respekt vor diesem Amt und den damit verbundenen Erwartungen der Bürger, die mich gewählt hatten“.
Und wie sieht es heute aus, denkt er allmorgens beim Frühstück schon an all das, was ihm der Terminkalender vorgeben wird? Morgens, sagt er, gehe er „ganz gerne laufen, dem Sonnenaufgang entgegen“, denn dies trage „zur Klarheit im Kopfe bei“. Nach solcherlei Rückblick gleich meine nächste Frage: „Was haben Sie sich für die sechs Jahre Amtszeit alles vorgenommen?“. Ich höre zu, was er – O-Ton – dazu sagt: „Wir hatten hier in Darmstadt in den letzten Jahren Entwicklungen, wo viele Menschen das Gefühl hatten, nicht mehr mitgenommen zu werden. In vielen Bereichen“. Und ehe ich weiter nachfragen kann, ergänzt er: „Das Wichtigste ist, wie ich politische Entscheidungen dem Bürger erkläre. Denn Politiker sind dem Allgemeinwohl verpflichtet, nicht Klientel-Interessen“. Ich habe verstanden, und sicher auch mancher Darmstädter.

Foto: Werner Wabnitz
Und dann kamen wir zu sprechen auf das wohl wichtigste Themenfeld, das auch mich interessiert: Wie steht es um die innerstädtische Verkehrsplanung. Dazu höre ich von Darmstadts Stadtoberhaupt Sätze wie: „Wir wollen das Thema Verkehr so angehen, dass alle Verkehrsträger sich berücksichtigt fühlen. Die konfrontative Herangehensweise wollen wir zurückschrauben. Die eine oder andere Entscheidung vergangener Jahre wieder in vernünftige, praktische Bahnen lenken“.
Als ich nachfrage, wie er das bewerkstelligen wolle, da er und die ihn tragende SPD im Stadtparlament doch keine Mehrheit habe und sein Handlungsspielraum wohl eher begrenzt sei, antwortet der Oberbürgermeister so: „Ich stehe an der Spitze des Magistrats. Und grundsätzlich spreche auch ich für diesen“. Zudem habe er eine Richtlinienkompetenz und verteile „die Geschäfte“. Damit könne man „durchaus steuern“. Mehr noch: er nutze die Möglichkeit, „eigene Vorlagen direkt ins Parlament einzubringen“. Für die er allerdings dann jeweils Mehrheiten finden müsse.
Da er jeden Morgen selbst mit dem Auto zur Arbeit fährt, erlebt er unmittelbar, was auch Pendler wie Einheimische betrifft: Tempo 30, sinnfremde Ampelschaltungen, Staus, Umleitungen etc. Und in Sachen Verkehrspolitik ergänzt er noch: „Wir müssen sie entideologisieren, einen praktischen Ansatz finden und dabei alle Verkehrsteilnehmer berücksichtigen. Wenn es bestimmte Gruppen gibt, die damit nicht einverstanden sind, dann ist das eben so – und aus meiner Sicht gegen die Interessen der Gesellschaft gerichtet.“ Pragmatische, nicht ideologische Verkehrspolitik sei „im Sinne der Gemeinschaft“. Mehr Klartext geht kaum..
Und dann kommen wir zum Thema „die Zukunft der Kultur in dieser Stadt“, die früher einmal sogar mit dem Poststempel werben ließ: „In Darmstadt leben die Künste“. Wir sprechen über all jene, die früher einmal z.B. in Sachen Literatur und Sprache von dieser Stadt aus bundesweit Maßstäbe setzten, also etwa Karl Krolow, Gabriele Wohmann, Wolfgang Weyrauch, Heinrich Schirmbeck, Katja Behrens oder Georg Hensel – und ich frage den OB, wen er heute alles nennen könne, nennen würde. Welchen Zugang er, der traditionsgemäß auch das Amt des Kulturdezernenten innehat, zu Musik, Bildender Kunst oder Literatur gleichermaßen habe und wie er es mit dem auch bei Kommunalpolitikern gängigen Satz „Kultur ist eine freiwillige Leistung“ halte. Hanno Benz: „Das teile ich nicht. Kultur steht für Vielseitigkeit und für gesellschaftliche Teilhabe. Klar wird es in einer angespannten Haushaltslage auch in der Kultur nicht ohne Einschränkungen gehen – aber wir achten dabei die Bedeutung der Kultur für unsere Stadtgesellschaft.“
Als ich dann, im Fahrstuhl bereits den Abwärtsknopf drücke, erinnere ich mich daran, dass Hanno Benz – nach Günther Metzger, Peter Benz und Walter Hoffmann – bereits der 4. Oberbürgermeister war, den ich interviewen durfte.
Zur Person
Hanno Benz ist seit 2023 Oberbürgermeister der Wissenschaftsstadt Darmstadt. 1972 in Darmstadt geboren, verbrachte Hanno Benz seine Kindheit und Jugend im nördlichen Stadtteil Arheilgen, wo er noch heute lebt. Nach seinem Schulabschluss studierte er an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main Politologie und Germanistik und beendete das Studium mit dem Magisterabschluss. Vor seinem Amt als Oberbürgermeister arbeitete Hanno Benz an der Schnittstelle von Politik, Wirtschaft und Kommunikation, u.a. als Seniorberater Public Sector und Politische Kommunikation bei einer renommierten Beratungsgesellschaft in Berlin, zuletzt als Abteilungsleiter im Bereich Public Affairs und Verbändemanagement eines kommunalen Energieversorgers in Frankfurt am Main.
Mit Oberbürgermeister Hanno Benz beenden wir nach 18 Folgen die Serie „Darmstädter Tischgespräche“. Ab der nächsten Ausgabe der „Kultur Nachrichten“ sind an dieser Stelle dann unter dem Titel „Unvergessenes“ W. Christian Schmitts Erinnerungen an Begegnungen mit bundesweit bekannten Vertretern des gesellschaftlichen wie des Kulturlebens zu finden.