Ein Beitrag von Niklas Wenzel für das Projekt „Was DA los?!“ von Studierenden an der h_da
Federico steuert Satelliten für die European Space Agency – aus Darmstadt. Wie gelange ich nach dem Studium in eine internationale Organisation?
Als ich an der Tram-Haltestelle „Maria-Goeppert-Straße“ aussteige, ist weit und breit noch kein Gebäude zu sehen. Erst nach ein paar hundert Metern Fußweg entdecke ich ein großes Bürogelände und einige wehende Nationalflaggen. Das muss es sein. Auf den ersten Blick wirkt das Gelände zwar groß, aber sehr unscheinbar: ein altes Bürogebäude nach dem anderen. Als ich näher in Richtung Eingang laufe, kann ich ein großes Schild erkennen, auf dem in blauer Schrift „ESA“ (European Space Agency) steht. Hier, nicht weit vom Darmstädter Hauptbahnhof, hat das Operations Centre des europäischen Äquivalents zur NASA seinen Sitz. „Als ich den Campus das erste Mal betreten habe, hat sich das sofort sehr besonders angefühlt“, sagt Federico, der nur beim Vorname genannt werden möchte. „Es war schon sehr cool, das erste Mal durch die Tore mit dem großen ESA-Logo zu laufen. Das ist der Ort, wo die ESA-Missionen ins Leben gerufen werden.“
Von Livestreams zur Leitstelle

Federico ist 26 Jahre alt und arbeitet als „Spacecraft Operations Engineer“ bei der ESA. Nach einem einjährigen Praktikum in Madrid ist das seine erste feste Stelle, direkt bei einer internationalen Organisation. „Ich verfolge zusammen mit einem Team immer eine Mission. Wir überwachen sie und treffen Entscheidungen über den Missionsablauf.“ Während Federico mich über das Gelände führt, kann ich seine Begeisterung für die Raumfahrt spüren. „Ich habe mir schon vor etwa zehn Jahren viele Livestreams von verschiedenen ESA-Missionen angeschaut“, erzählt er. „Das hat mich so fasziniert, dass ich selbst Luft- und Raumfahrttechnik studieren wollte.“ Das tat er dann in Italien, wo er aufgewachsen ist. „Ehrlich gesagt war mein Weg ziemlich klassisch. Ich habe mich nach dem Praktikum beim Satellitenhersteller FOSSA Systems in Madrid einfach auf eine freie Stelle bei der ESA beworben und wurde genommen.“ Keine Connections, keine Tipps, keine besonderen Einstiegstests. „Natürlich gibt es bei so einem interessanten Job viel Konkurrenz, aber alles in allem war die Bewerbung sehr standardmäßig“, sagt der Raumfahrtingenieur.

Rosetta: Meilenstein der Kometenforschung
Nach einem längeren Rundgang über das Gelände bleiben wir vor einem lebensgroßen Modell einer Weltraumsonde stehen. „Das ist Rosetta“, sagt der 26-jährige. Der besondere Meilenstein der Mission: Der Lander „Philae“ war die erste Sonde, die auf einer Kometenoberfläche aufgesetzt hat. „Rosetta war ein ziemlich großes Ding für die ESA“, sagt er. „Diese Sonde hat uns viele neue Erkenntnisse über Kometen und ihre Rolle in der Entstehung von Sonne und Planeten geliefert.“ Danach führt Federico mich in sein Büro. Auf mehreren Bildschirmen laufen komplexe Datenansichten. Anschließend gehen wir am Hauptkontrollraum vorbei. Von hier aus werden die Starts der ESA-Missionen gesteuert. „Hier sind meine bisher schönsten Erinnerungen an die Arbeit bei der ESA entstanden“, erzählt Federico. „Jeder Start ist ein riesiges Event. Es herrscht minutenlange Stille vom Moment, in dem die Rakete ihre Motoren startet, bis sie im All ist und sich der Satellit trennt. Wenn alles klappt, bricht riesiger Jubel aus. Das ist immer sehr emotional.“

Warum eigentlich Darmstadt?
Spätestens jetzt wird mir klar, welche internationale Bedeutung die ESA hat. Warum befindet sich ihr Kontrollzentrum ausgerechnet in einer vergleichsweise kleinen Stadt wie Darmstadt? „Das weiß ich ehrlich gesagt auch nicht genau“, sagt Federico schmunzelnd. „Aber ich mag Darmstadt sehr. Es ist auf den ersten Blick zwar nicht die schönste Stadt, aber man kann alles gut mit dem Fahrrad erreichen, was mir sehr gefällt. Und wenn man weiß wo man suchen muss, findet man echt ein paar schöne Ecken.“ Tatsächlich war die Entscheidung für Darmstadt kein Zufall: Bereits 1962 war hier die European Space Research Organisation angesiedelt, eine Vorgängerorganisation der ESA. Diese bestehende Infrastruktur und die Nähe zur technisch geprägten TU Darmstadt machten die Stadt zu einem idealen Standort für das neue Kontrollzentrum.
Kaffee, Kollegen und Community
Nach weiteren Büros mit noch mehr Bildschirmen und Tabellen neigt sich die Führung dem Ende zu. In der Cafeteria holen wir uns Cappuccino. Federico trifft dort einige seiner Kolleg:innen. Er scheint sich mit vielen gut zu verstehen. „Ja, die Arbeitsatmosphäre ist super. Es ist eine sehr internationale Bubble, was ich sehr mag. Meine Freunde hier kommen aus ganz Europa. Wir machen auch in unserer Freizeit viel zusammen, manchmal organisiert die ESA auch Game Nights oder gemeinsame Ausflüge zum Weihnachtsmarkt.“ Ich habe den Eindruck, dass Federico mit seinem Job bei der ESA wirklich glücklich ist, auch das Umfeld stimmt.
Zum Schluss möchte er anderen Luft- und Raumfahrttechnik-Studierenden noch einen Tipp mitgeben: „Manchmal ist es einfacher als man denkt, in so ein Unternehmen reinzukommen. Man muss es einfach versuchen. Die ESA bietet viele Einstiegsmöglichkeiten, etwa über Praktika. Wer in diesem Bereich arbeiten möchte, sollte sich nicht von großen Namen abschrecken lassen. Einfach bewerben. So habe ich es am Ende auch gemacht.“
Ich bin beeindruckt, wie selbstverständlich Federico seinen Weg gegangen ist und welches Potential in Darmstadt steckt. Wer in einer großen Branche arbeiten will, muss nicht zwangsläufig in eine Metropole ziehen – manchmal führt auch ein Fahrradweg durch Darmstadt direkt zu einem internationalen Unternehmen.
Dieser Beitrag ist im Rahmen des Projekts „Was DA los“ entstanden – einer Lehrredaktion von Studierenden des Studiengangs Onlinejournalismus an der Hochschule Darmstadt (h_da). DA.news unterstützt das Projekt und veröffentlicht ausgewählte Beiträge auf seiner Plattform. Weitere Infos und Texte gibt es hier und auf: www.was-da-los.de